Bestandteil 3: Ethische Dimension des Dual-Use-Problems – Reflektion der Sicherheitsrelevanz
Ein eigenverantwortlicher Umgang mit der Dual-Use-Problematik geht über die bloße Einhaltung rechtlicher Regeln, bezogen auf die Bereitstellung von Inputs (Güter, Dienstleistungen i.S.v. technischer Unterstützung), hinaus und umfasst zusätzlich eine intensive Beschäftigung mit den angestrebten Ergebnissen der Forschung. Forschende sind angehalten, die Möglichkeiten und Folgen zu reflektieren, die sich aus ihrer Forschung geradewegs ergeben könnten. Der Gemeinsame Ausschuss zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung von DFG und Leopoldina formuliert es so:
„Herausforderungen bestehen insbesondere bei wissenschaftlichen Arbeiten, bei denen die Möglichkeit besteht, dass sie Wissen, Produkte oder Technologien hervorbringen, die unmittelbar von Dritten missbraucht werden können, um Menschenwürde, Leben, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Umwelt oder ein friedliches Zusammenleben erheblich zu schädigen (sog. besorgniserregende sicherheitsrelevante Forschung – Dual-Use Research of Concern [DURC]).“
Für eine verantwortliche Durchführung und Kommunikation der Forschung ist es demnach wichtig, dass Forschende einen bewussten, risikosensiblen Umgang mit der Ambivalenz wissenschaftlicher und technischer Entwicklung pflegen. Denn Forschende sind am besten positioniert, die Folgen ihrer wissenschaftlichen Arbeit
Leitfrage:
Welche sozialen und politischen Implikationen hat meine Forschung? abzuschätzen und informierte Abwägungen zwischen Chancen und Risiken vorzunehmen. Besorgniserregende Forschung (DURC) bezieht sich im Allgemeinen auf Bedrohungen, die sich aus dem Forschungsgegenstand sowie aus den unmittelbaren Beweggründen von Partnern (Forschungspartnern, Forschungsförderern) und interessierten Dritten (z.B. militärische Akteure, Kriminelle, Terroristen) ergeben. Angesichts der grundsätzlichen Ambivalenz von Wissen ist Forschung erst dann besorgniserregend, wenn ein substantielles Risiko besteht, dass die Ergebnisse unmittelbar in eine missbräuchliche Folgeverwendung fließen können, die ein erhebliches Schädigungspotenzial aufweist. In solchen Fällen sind Maßnahmen zur Risikominderung nötig, die u. a. eine Veränderung oder, als Ultima Ratio, gar Aufgabe des Projekts, aber auch eine alternative Wahl von Kooperationspartnern einschließen können.
Die ethische Bewertung der Potentiale der Forschung ist zwar zunächst einmal unabhängig von den beteiligten Akteuren. Im Umgang mit China kann aber eine erhöhte Aufmerksamkeit erforderlich sein. Die Forschungsinteressen und Beweggründe der Kooperationspartner sind nicht notwendigerweise deckungsgleich. Unabhängig von den kontrollrechtlichen Fragen der Zusammenarbeit ist deshalb zu eruieren, ob von der chinesischen Seite mit der Forschung neue nicht-zivile Anwendungen anvisiert werden.
Der Gemeinsame Ausschuss von DFG und Leopoldina hat dazu die grundlegende Publikation zur sicherheitsrelevanten Forschung veröffentlicht:
Gemeinsamer Ausschuss zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung (2022) Wissenschaftsfreiheit und Wissenschaftsverantwortung. Empfehlungen zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung,
Stand: 1.11.2022